„Ethikrat: 150-jährige Geschichte der Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken jetzt beenden!
Heute präsentiert der Deutsche Ethikrat in Berlin seine Stellungnahme zu „Intersexualität“. Zahllose Betroffene erhoffen sich davon entscheidende Impulse zur Beendigung der verheerenden kosmetischen Genitaloperationen an „uneindeutigen“ Kindern. Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org wird zuvor eine Stunde lang über die blutige Geschichte dieser „westlichen Genitalverstümmelungen“ informieren und mit einer farbenfrohen friedlichen Aktion die politisch Verantwortlichen zum Handeln auffordern (09:30-10:30 Uhr vor dem dbb forum, Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin).
Seit über 150 Jahren experimentieren westliche Chirurgen an Kindern mit „abnormalen Geschlechtsteilen“ oder „Hermaphroditen“, wie sie es zunächst nannten. Zwar waren im 19. Jahrhundert fragwürdige Praktiken wie zum Beispiel Klitorisamputationen auch bei „normalen Mädchen“ verbreitet. Während bei diesen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert die Unmenschlichkeit solcher „Heilmittel“ erkannt wurde und die Mediziner davon abkamen, wurden ab 1950 bei „Intersexuellen“ (wie der medizinische Fachbegriff nun lautete) Genitalamputationen und sonstige verstümmelnde Operationen ausgeweitet und ab ca. 1960 flächendeckend und systematisch im Kindesalter durchgeführt. Heute reden die Mediziner von „Genitalkorrekturen“ bei „Störungen der Geschlechtsentwicklung“ und allein in Deutschland wird jeden Tag mindestens ein wehrloses Kind einem solchen Eingriff unterzogen – ohne dessen Einwilligung, ohne medizinische Notwendigkeit, ohne Evidenz und obwohl Betroffene seit bald 20 Jahren öffentlich dagegen protestieren.
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org appelliert an die Verantwortlichen in Politik und Justiz, jetzt konkrete Schritte einzuleiten, um diese menschenrechtswidrigen Genitalverstümmelungen in unseren Kinderkliniken endlich zu stoppen. Seit 1996 hatte die Bundesregierung die Anliegen der Betroffenen von kosmetischen Genitaloperationen im Kindesalter ignoriert und geleugnet. Noch 2010 verkündete der Berliner Senat über „keine Erkenntnisse über konkrete Fälle mit derartigen Eingriffen oder Therapien“ zu verfügen. Noch 2011 leugnete der Bremer Gesundheitsstaatsrat Hermann Schulte-Sasse im Bremer Landtag öffentlich das Fortdauern der Zwangsoperationen. Obwohl bereits 2008 das Kölner Landgericht entschieden hatte, im Fall von Christiane Völling sei „das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin in ganz erheblichem Maße verletzt worden“.
Auch dass der Deutsche Ethikrat nun heute eine Stellungnahme präsentiert, geschah letztlich erst, nachdem sich Betroffene an das UN-Komitee CEDAW wandten und dieses 2009 die Bundesregierung zum Handeln aufforderte. Eine Kritik, die erst letztes Jahr das UN-Komitee gegen Folter erneut bekräftigte. Auch der UN-Menschenrechtsrat wird sich dieses Jahr zum ersten Mal mit diesem Thema befassen.
Laut BMBF-finanzierten Studien werden heute noch 90% aller Betroffenen im Kindesalter oft mehrfach irreversibel kosmetisch genitaloperiert. Ihr Schrei nach Gerechtigkeit darf nicht mehr länger ignoriert, ihre berechtigten Anliegen dürfen nicht mehr weiter auf die lange Bank geschoben oder für Geschlechterpolitik instrumentalisiert werden. Niemand mehr wird später mit gutem Gewissen sagen können, man habe es nicht gewusst. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie „Menschenrechte auch für Zwitter!“.
Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.“
Eine Pressemitteilung von zwischengeschlecht.org, http://blog.zwischengeschlecht.info/